Sex und Evolution - ein faszinierendes Thema, eine faszinierende Ausstellung (2014)

"Sex ist ein Erfolgsrezept", "Ohne Sex gäbe es weder uns noch eine belebte Welt, wie wir sie kennen." Die Ausstellung im LWL-Museum für Naturkunde in Münster hat uns begeistert. Ich finde sie so vielfältig, spannend und anschaulich. Die Ausstellung macht Lust auf eigene Bebachtungen und Fragen und neugierig auf Antworten. Sie bietet allen Altersgruppen etwas. Hier ein paar Impressionen, die vielleicht Euer Interesse wecken können:

  • Aufgrund des anschwellenden Penisknotens im Weibchen, bleiben Fuchs und Fähe 5-20 Minuten nach dem Akt Rücken an Rücken miteinander verbunden (s. Foto).
  • Der Liebespfeil der Weinbergschnecke verweiblicht eine andere Weinbergschnecke. Weinbergschnecken sind Zwitter.
  • Es gibt tolle Beispiele wie Männchen versuchen Weibchen zu beeindrucken.
  • Kreativität gilt als sexy
  • Evolution des Penis: Ausschließlich Männchen der eigenen Art besitzen den "Schlüssel" zum "Schloss" des Weibchens.
  • Weibchen können den Immunstatus der männlichen Bewerber erschnuppern.
  • Wie versuchen Männchen ihrem Sperma den Vorrang zu geben?
  • Das indianische Gewürz Chili soll die Sexualität anheizen.
  • Beim Truthuhn entstehen durch Jungfernzeugung nur Männchen.
  • Gelegentlich treten bei manchen Tieren, vor allem bei Insekten, Individuen auf, die auf jeder Körperhälfte ein anderes Geschlecht besitzen. In der Ausstellung ist das sogar bei einem Dompfaff zu sehen.
  • Bereits eine einzellige Grünalge entwickelt Geschlechtszellen bei Nährstoffmangel.
  • Der Mehlkäfer begattet ein Weibchen indirekt über homosexuelles Verhalten ...

Zur Ausstellung:

Die Ausstellung Sex und Evolution im Naturkundemuseum in Münster, das direkt neben dem Allwetterzoo, nahe dem Aasee, liegt, ist noch bis zum 19. Oktober 2014 zu sehen. Die beiden Zitate zu Beginn meines Artikels sind der Ausstellung und dem Begleitbuch zur Ausstellung entnommen (Grusswort von Dr. W. Kirsch, dem LWL-Direktor).

Die Fotos oben, vom Dompfaff, (von links nach rechts: Weibchen; halb Männchen, halb Weibchen; Männchen), der Heckenbraunelle, bei der das Männchen vor dem Paaren die weibliche Kloake mit dem Schnabel massiert, damit das Weibchen das Sperma des Vorgängers ausscheidet, der Wespenspinne, die ihren Paarungspartner tötet und verspeist, den Venusfigurinen der Altsteinzeit, habe ich in der Ausstellung gemacht.

 

Evolution:

Evolution ist das zentrale Konzept in der Biologie und das Wissen darüber, das für viele sicher mit dem Namen Charles Darwin eng verbunden ist, ist bis heute immer differenzierter geworden. Warum ist die sexuelle Fortpflanzung so verbreitet, so erfolgreich? In der Ausstellung kannst Du nachlesen, dass die sexuelle Fortpflanzung eine ständige Neukombination/Rekombination der Gene ermöglicht, sowohl bei der Bildung als auch bei der Verschmelzung von Spermium und Eizelle. Dadurch entsteht eine große Variabilität, eine große genetische Vielfalt, als Ausgangspunkt für Selektion und Evolution. Sex kann  vorteilhafte Mutationen zusammen bringen, ermöglicht eine stete Anpassung an eine sich verändernde Umwelt. Sexuelle Fortpflanzung ist andererseits mit hohen Kosten, Zeit und Energie, für das Individuum verbunden und ihre Vorteile gegenüber der asexuellen Fortpflanzung immer noch nicht vollständig geklärt. Wie schaffen es z. B. die Bakterien, die sich asexuell fortpflanzen, sich den veränderten Umweltbedingungen offensichtlich schon so lange so gut anzupassen? Auch dazu gibt die Ausstellung eine mögliche Erklärung. Evolution ist so ein ungeheuer spannendes Thema, weil es viele Einblicke in die unglaubliche Vielfalt der Natur und ihre Entwicklung liefert. Da es auch oft ungenaue Vorstellungen von diesem spannenden Entwicklungsprozess gibt, der Veränderung vererbbarer Merkmale, der Artbildung, finde ich es toll, dass hier anschaulich, für fast jedes Alter, versucht wird, einen komplexen Eindruck von der Entwicklung der Welt, wie sie heute ist, zu geben.

 

Sexuelle Selektion

Selektion: Der unterschiedliche Fortpflanzungserfolg verschiedener Phänotypen/Erscheinungsbilder der Population/Gruppe einer Art, der letzendlich zu einer Veränderung der relativen Allelhäufigkeit im Genpool der Population führt. (Allele sind verschiedene Zustandsformen eines Gens pro Locus; als Genpool bezeichnet man die Gesamtheit aller Gene, Allele, an einem Locus). Selektion setzt also an den Individuen an. Eine Voraussetzung dafür, dass Selektion zu Evolution führt, ist eine genetische Variabilität der Population.

 

Sexuelle Selektion ist laut Ausstellung eine Ergänzung  zu der natürlichen Selektion, die die Auswahl des Sexualpartners, die Durchsetzung gegen Konkurrenten, beschreibt. Sie bewirkt beim konkurrierenden Geschlecht, meist den Männchen, die Ausbildung von Ornamenten. Sie erklärt also auch das Entstehen von sekundären Geschlechtsmerkmalen, die nicht direkt zur Fortpflanzung nötig sind. Hierzu habe ich in der Vorlesung "Grundlagen der Naturwissenschaften", an der UNI Münster, so faszinierende Beispiele kennengelernt, die ein wenig zeigen mit welch hohen Kosten die sexuelle Fortpflanzung verbunden ist. Einige davon, die in der Ausstellung nicht zu sehen oder lesen sind, möchte ich kurz skizzieren.

 

Beispiele sexueller Selektion:

Hier unterscheidet man, laut einer Freundin, "zwischen male-male competition – intrasexuelle Selektion (Bsp. 1u.2) und female choice – intersexuelle Selektion (Bsp. 3 u.4), die auf sehr unterschiedliche Weise wirken".

  • Die Hirschkäfer-Männchen haben so große Mundwerkzeuge, Mandibeln, um ihren Platz im Konkurrenzkampf um Weibchen zu behaupten, dass sie sich nicht mehr selbst ernähren können, also eine Entwicklung gegen die natürliche Selektion.
  • Der Nördliche See-Elefant, der in der Paarungszeit im Harem lebt (ein Bulle mit 10 - 20 Kühen), ist, um die Harem-Kontrolle zu behaupten, so groß und dick (6,5 m groß und 3500kg schwer), dass er mit 14 Jahren eine deutlich geringere Lebenserwartung hat als das kleinere und dünnere Weibchen. (18 Jahre, 3,5m, 900kg). Dabei ist er erst mit 8-9 Jahren stark genug, um sich einen Harem zu halten.
  • Bei den Laubenvögeln baut das Männchen einen auffälligen Tanzplatz, um das Weibchen zu beeindrucken.
  • Bei den Rauchschwalben bevorzugen Weibchen die Männchen mit längeren Schwanzfedern, auch wenn diese, bei einem Versuch, nur angeklebt waren.

Beispiele für Spermienkonkurrenz, einem Sonderfall der intrasexuellen Selektion (Konkurrenz zwischen den Mitgliedern eines Geschlechts um Gewinn von Paarungspartner_innen), der noch nicht so lange bekannt und erforscht ist bzw. für Strategien, um dem eigenen Spermium Vorrang vor dem der Konkurrenten zu verschaffen:

  • Zur Laich-Zeit besteht das Lachs-Männchen im Innern fast nur noch aus Hoden und stirbt danach.
  • Die Hoden der Schimpansen-Männchen, bei denen es keine Paarbeziehungen gibt, sind, laut wikipedia zur Spermienkonkurrenz, deutlich größer im Vergleich zu ihrer Körpermasse  als die von Gorilla-Männchen, die in einer Harem-Struktur leben. Während Gorilla-Männchen also mit Muskelkraft gegen ihre Konkurrenten kämpfen, verschiebt sich die Konkurrenz bei den Schimpansen-Männchen auf die Ebene der Samen.
  • Das Männchen der Azurjungfern, das während der Paarung mit dem Weibchen ein Paarungsrad bildet, bewacht das Weibchen bis zur Eiablage und vertreibt andere Männchen (Mate guarding, s. auch Praktikumsbericht: Libellenkartierung am Stiefelweiher (Brühl-Badorf, S. 5). So versucht es die Verpaarung mit anderen Männchen zu verhindern. Beide Formationen konnte ich im Garten, am Teich, schon gut beobachten.
  • Libellen-Männchen und einige Vogelarten entfernen die Spermien des Konkurrenten aus dem Geschlechtstrakt des Weibchens.
  • Einige Insektenarten, Spinnentiere, sogar Vögel und Säugetiere verstopfen die weibliche Geschlechtsöffnung nach der Paarung: Copulatory plugs
  • Kohlmeisen versuchen z.B. durch häufiges Kopulieren, mehrmals am Tag, eine Fremdbefruchtung zu verhindern. Trotzdem sind durchschnittlich nur ca. 70% der Nachkommen von dem Männchen, das sie füttert.
  • Weitere Strategien sind: Abschreckende Pheromone, Widerhaken am Kopulationsorgan für längere Kopulationen, Füll- oder "Killer"-Spermien ...

Spannend sind auch hierzu wieder verschiedenen Erklärungsansätze. Zwei möchte ich kurz skizzieren:

  • Runaway-Prozess (Runaway selection), die älteste Erklärung, laut wikipedia ein Selbstläuferprozess, der "...durch sensorische Präferenzen bei der Partnerwahl, z. B. wenn Weibchen männliche Träger eines vererblichen Merkmals zur Paarung bevorzugen", entsteht. Bei den männlichen Nachkommen liegt dann eine Kopplung von Präferenz und Merkmal vor; es stehen mehr Männchen mit dem bevorzugten Merkmal zur Verfügung.
  • Handycap-Hypothese/Handycap-Prinzip: Die Merkmale dienen dazu die genetische Qualität der Männchen abzuschätzen. Nur besonders gut angepasste Männchen können sich dieses Handycap/Ornament leisten.

 

Fazit:

Ein Besuch des LWL-Museums für Naturkunde in Münster lohnt sich, um einen interessanten Einblick in die spannende Vielfalt des Lebens auf anschauliche Art zu gewinnen. Sie ist dort bis zum 19. Oktober 2014 zu sehen.

Die Verbindung von Sex und Evolution, dargestellt für alle Altersstufen, ist meines Erachtens ein gelungenes Projekt. Das Thema Evolution ist ein zentrales Konzept der Biologie, mit ungeheuer spannenden Informationen, Beispielen, immer wieder neuen Beobachtungen, Fragen und Erkenntnissen, die unseren Blick auf die Welt enorm bereichern kann. Die weit verbreitete sexuelle Fortpflanzung, die eine genetische Variabilität ermöglicht, ist im Vergleich zur asexuellen Fortpflanzung mit hohen Kosten für das Individuum verbunden ist. Dazu gibt es viele anschauliche Beispiele und verständliche Erklärungen. Die Nachkommen der sexuellen Fortpflanzung haben ja nur die Hälfte der eigenen Gene und aus zwei Zellen wird nur ein Individuum.

Auch die bis zum 27.4.2014 parallel zu sehende Ausstellung 'Wale - Riesen der Meere' hat mich fasziniert und ist sicher auch für Kinder toll. Wir finden, das Planetarium, das sich im gleichen Gebäude befindet, ist ebenfalls einen Besuch wert.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0