Mehlwürmer fressen coffee-to-go-Becher - Styropor herstellen,verwenden, recyceln (2016)

Forscher_innen der Standford-Universität haben entdeckt, dass Mehlwürmer Styropor fressen können und eine 13jährige  Schülerin erforschte, dass Mehlwürmer die Styroporart der coffee-to-go-Becher bevorzugen. Sofort habe ich mir in einem Zoofachgeschäft Mehlwürmer gekauft, um selbst zu experimentieren. Sind die Würmer der Mehlkäfer also nicht nur begehrtes Vogelfutter, Köder für Angler_innen, eine gute Eiweißquelle für Nager wie z.B. Mäuse und Hamster, sondern auch perfekte Styroporrecycler? Ein spannendes Thema für interessierte Naturwissenschaftler_innen.

 

Polystyrol, als Schaumstoff von BASF unter dem Namen Styropor bekannt, der älteste Polymerisationskunststoff und einer der billigsten Kunststoffe, wird so vielseitig verwendet: Zur Herstellung von Bechern, CD-Hüllen und Einwegverpackungen und, da es leicht einzufärben ist, z.B. für Gebrauchsgegenstände wie Kämme, Knöpfe, Kugelschreiber, Schnallen etc.. Geschäumte Polymerisate finden Verwendung im Bausektor zur Schall- und Wärmeisolation, für Blumenkästen, Kühltaschen, Rettungsringe, Schwimmwesten, Spielzeug etc.. Copolymere werden für Autoreifen, Büromöbel, Förderbänder, Radio- und Staubsaugerteile, Telefonapparate, Zeichenartikel usw. verwendet. Es entstehen also Unmengen von Müll, die nur schlecht recycelt werden. Können die neuen Entdeckungen unser Plastikmüll-Problem verringern? Über meine eigenen Beobachtungen werde ich später auch berichten.

Was ist Polystyrol bzw. Styropor?

 

Aus Harz und einem Aromastoff

Polystyrol ist ein Kunststoff, der durch Polymerisation aus dem Grundbaustein Styrol, nach IUPAC Phenylethen, gewonnen wird. Der Name Styrol deutet darauf hin, dass dieses Monomer früher, schon 1831,  aus dem Harz Styrax des Orientalischen Amberbaums gewonnen wurde. Er ist ein Naturstoff, der laut wikipedia auch als Aromastoff in kleinen Mengen in Weintrauben, Kiwis und dem Duft der Orchideenblüten vorkommt.  Seine Bedeutung war zunächst gering, bis es 1930 als Grundstoff für die Kunststoffchemie entdeckt wurde.

 

Kettenpolymerisation

Heute wird Styrol aus Benzol, einem giftigen, krebserregenden aromatischen Kohlenwasserstoff und dem Pflanzenhormon Ethen hergestellt, wobei Aluminiumchlorid als Katalysator dient. Das so erhaltene Ethylbenzol wird dann großtechnisch zu Styrol dehydriert. Styrol polymerisiert schon unter Einfluss von Licht bei Raumtemperatur zu einem zähen, hochmolekularen Harz. In der Technik werden Peroxide als Katalysatoren zur Polymerisation eingesetzt. Beim Erwärmen zerfällt das so entstandene Peroxid in Radikale, die die Kettenpolymerisation einleiten. So entsteht das Makromolekül Polystyrol, einer der billigsten Kunststoffe, der sich aufgrund seiner Struktur bei niedrigen Temperaturen aber als brüchig erweist. Mischpolymerisate/Copolymere mit Acrylnitril zeigen dagegen eine hohe Festigkeit und Mischungen mit Kautschuk sind besonders zäh und stoßfest. Styrol lässt sich gut mit etwa zehn verschiedenen anderen Monomeren zu Kunststoffen copolymerisieren. Die SAN-Copolymere (Styrol-Acrylnitril) sind besonders bruchfest und beständig gegen unpolare Lösungsmittel und aus den SBR-Copolymerisaten (Styrol-Butadien-Rubber), werden nach Zusatz von Schwefel und Füllstoffen wie Ruß und Zinkoxid durch Vulkanisation Autoreifen oder Förderbänder hergestellt. Aus den schlagfesten Misch-Polymerisaten werden z.B. Büromöbel, Radio- und Staubsaugerteile, Telefonapparate und Zeichenartikel gefertigt.

 

Styropor

Aufgeschäumtes Polystyrol, das wir als Styropor kennen, besteht überwiegend aus Luft. In dem Video der Sendung "Kopfball" vom September 2013 ist sehr schön zu sehen wie kleine Polystyrolkügelchen durch Wasserdampf aufgeschäumt werden können. Dass das Styropor überwiegend aus Luft besteht zeigt dieses Video auch sehr anschaulich dadurch, dass lange Styroporstangen in einem organischen Lösungsmittel, hier Aceton, scheinbar verschwinden. Genaueres dazu unter Recycling, im nächsten Abschnitt. Eine elektronenmikroskopische Aufnahme in diesem Video zeigt die Struktur dieses Kunststoffes sehr schön: Porenwände aus Polystyrol, die mit Luft gefüllt sind. Deshalb ist Styropor so leicht, isoliert so gut und eignet sich prima als Dämmmaterial, zur Wärmedämmung. "Die Verwendung als Schaumkunststoff (Styropor) wurde 1949 von Fritz Stastny und seinem Chef Rudolf Gäth bei der BASF entwickelt, 1950 zum Patent angemeldet und 1952 auf der Kunststoffmesse in Düsseldorf vorgestellt." (wikipedia)

Recycling von Polystyrol, Styropor, Müll vermeiden

 

Die Mehlwürmer

„Unsere Studie ergab, dass Mehlwürmer Styropor essen und ihre Eingeweide das Material verdauen“, sagt Umweltingenieur Wei-Min Wu, Co-Autor der Studie. So ist es in der Wirtschaftswoche nachzulesen. Durch Enzyme zersetzen die Mehlwürmer laut dieser Studie den bisher als biologisch nicht abbaubar geltenden Kunststoff sehr schnell zu Kohlendioxid ohne weitere Belastung für die Umwelt. Nach einem Bericht von Spekrum. de verarbeiteten 100 Mehlwürmer täglich knapp 40 mg Kunststoff zu Kohlendioxid und Kot. Die Ausscheidungen der Mehlwümer seien laut der Mitteilung der Universität alle biologisch abbaubar und könnten theoretisch in der Pflanzenzucht als Dünger eingesetzt werden. Laut Wei-min Wu hätten die Mehlwürmer nach dem Fraß von Styropor keine gesundheitlichen Schäden gezeigt. Allerdings hatte die Testphase wohl nur einen Monat gedauert. "Offenbar übernehmen es Bakterien in den Innereien der Tiere, den eigentlich schwer zu verdauenden Kunststoff aufzuschließen. Welche Bakterien dies sind und ob sie sich auch isolieren und direkt auf das Polystyrol ansetzen lassen, wollen die Wissenschaftler demnächst klären" (Spekrum 10/2015)

 

Jugend forscht

Angeregt durch eine Radiosendung über Mehlwürmer, ich nehme an über diese Studie, hat eine 13jährige Schülerin, Nele Stumme aus der 8b des Karl-Ziegler-Gymnasiums in Mülheim selber dazu geforscht und sich damit bei "Jugend forscht" beworben. In dem Regionalwettbewerb vom Februar 2016 hat sie mit ihrer Arbeit im Fach Biologie zum Thema: „Styropor-Entsorgung durch Mehlwürmer?“ sogar den 1. Preis erhalten. Laut WAZ-Artikel habe sie herausgefunden, dass die Mehlwürmer aus verschiedenen Styroporarten besonders coffee-to-go-Becher bevorzugten und Styropor scheinbar sogar lieber mögen als Haferflocken. Vielleicht erfahren wir noch einmal Genaueres, wenn sie am Landeswettbewerb im April teilgenommen hat. Nach vier Tagen hat sich bei den ca. 30 Mehlwürmern, die ich eingesetzt habe, noch nicht viel Sichtbares an Plastikabbau getan.

 

Recycling von Styropor durch Auflösen in organischen Lösungsmitteln und  Aufschäumen - ein Experiment

Für ein einfaches Experiment, das das Prinzip veranschaulicht, brauchte ich ein altes Marmeladenglas, Aceton (aus dem Baumarkt), Styroporreste von Verpackungen und eine Pinzette oder etwas zum Umrühren. Bei Aceton sollten unbedingt die Gefahrenzeichen beachtet werden: F leichtentzündlich und Xi reizend, s. Gefahrstoff-Datenbank!

Es ist schon faszinierend zu sehen wie die großen Styroporstücke im Aceton unter Gasentwicklung immer weniger werden. Das ist besonders auf dem Video der Kopfball-Sendung zu sehen, da dort alles in größerem Maßstab, also mit viel größeren Styropor-Stücken, zu beobachten ist. Das Experiment zeigt einfach sehr anschaulich, dass Styroor zu einem hohen Prozentsatz aus Luft besteht. "Das Lösen der Polymere ist ein rein physikalischer Vorgang, bei dem keine chemische Veränderung eintritt. Die Moleküle des Lösungsmittls schieben sich dabei zwischen die Polymerketten und heben damit die teilkristalline Struktur des Styropors ® auf." (Recycling von Polystyrol, S. 4)  Übrig bleibt ein verdichtetes, sehr kleines Stück Polystyrol (s. vorletztes Foto). Wie in dem Kopfballexperiment habe ich dann versucht das verdichtete Polystyrol in einem Sieb über einem Wasserbad wieder aufzuschäumen. In geringem Maße lässt sich das tatsächlich auch mit dieser einfachen Methode beobachten. In dem Kopfballvideo wird das Aufschäumen allerdings mit kleinen Polystyrolkügelchen gezeigt, die eine viel größere Oberfläche haben. 

Die Philipps-Universität in Marburg schlägt als Lösungsmittel und zum Aufschäumen Essigsäureethylester und n-Hexan vor. Letzteres sei allerdings relativ teuer und für Schüler_innen-Exprimente nicht sehr geeignet. Zum Aufschäumen eignen sich ihrer Ansicht nach im Prinzip alle unpolaren Lösungsmittel, z.B. auch Aceton, da sie in die Zwischenräume der Polymere eindringen und die unpolaren Polystyrolmoleküle vollständig umgeben können. N-Pentan sei noch besser als n-Hexan geeignet, weil es einen deutlich niedrigeren Siedepunkt hat (36°C statt 69°C).

 

Begrenztes Recycling, Müll vermeiden

Laut Wirtschaftswoche könnten die Mehlwürmer eventuell einen notwendigen Beitrag zum Problem des immer mehr wachsenden Müllproblems leisten. Es gäbe immer noch zu wenig Recyclingmethoden für viele Plastiksorten. Eine besondere Herausforderung sind dabei sicher die Copolymere. Der NABU macht darauf aufmerksam, "...dass nur 50 Prozent (55 Prozent ab 2020) der tatsächlich gesammelten und damit entscheidenden Menge werkstofflich verwertet werden sollen." Er kritisiert den Entwurf zum Wertstoffgesetz, der nur schwache Anforderungen an recyclingfreundliche Verpackungen enthalte und keine Anreize setzte recycelte Rohstoffe im Herstellungsprozess auch einzusetzen. 

 

Plastik vermeiden

Bei allen Problemen, die der Plastikmüll in unserer Umwelt bereits verursacht, muss es uns also weiter darum gehen Plastikmüll möglichst zu vermeiden.  Siehe auch meinen blog-Artikel "Wie kommt Plastik durch uns in Milch, Honig, Leitungswasser, Tiermägen... - Was kannst du tun?",  z.B.: ¨Am Meeresgrund wimmelt es von Plastik und Müll¨. Es gibt auf einigen Webseiten Tipps wie wir Plastik vermeiden können, z.B. vom BUND, von Greenpeace, der Süddeutschen Zeitung. Für mich ist das ein großes Anliegen, um das ich mich täglich bemühe.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus (Sonntag, 02 April 2017 17:25)

    Neben Styropor findet sich auch Polyethylen in einem Coffee-to-go Becher. Eine Infografik zu den Kunsstoffanteilen ist unter:
    http://www.transitionsblog.de/content/m%C3%BCllproblem-coffee-go-warum-lassen-sich-einweg-kaffeebecher-nicht-recyceln